1.10.
19:00
Anja Utler– „Es beginnt“
Semjon Hanin – „aber nicht damit“
Lesungen & Gespräche // Literatur: International
Moderation: Petra Nagenkögel
01.10.2025, 19:00 Uhr,
DomCenter Linz,
Domplatz 1, 4020 Linz
Semjon Hanin
© Martins Grauds
Anja Utler
© Aleksandra Pawloff
Es beginnt
»Es beginnt der Tag« – aber wie kann er in Zeiten der Trauer weitergehen? Immer wieder setzt der Trauerrefrain beim Tagesanbruch an, um zu zeigen, wie das einmal Geschehene weiterwirkt und sich in alle neu versuchten Anfänge einschreibt.
In 209 kurzen, locker an die Tradition des Haiku angelehnten Gedichten dokumentiert das Buch eine tiefe geistige und emotionale Krise. Im Fokus steht das sich über einen längeren Zeitraum entfaltende Gefühl der Trauer als das prägende Gefühl einer Zeit, in der die Menschen sich in zunehmender Schärfe dem Verlust von Lebewesen, von Bewohnbarkeit und Gerechtigkeit aussetzen und ausgesetzt sehen.
In langsamen Schritten nähert sich der Text dem Auslöser des Trauerprozesses der Autorin: Russlands großflächigem Angriff auf die Ukraine. Ihrer poetischen Resonanz auf Leid und Zerstörungswillen stellt Anja Utler einen analytischen Essay zur Seite, in dem sie dafür plädiert, Gefühle nicht länger reflexhaft abzuwehren, sondern sie zu erforschen. Denn als Auskunftgeber über die Beziehungen in der Welt bezeugen sie nicht nur die Bedeutung (ausbleibender) gesellschaftlicher Veränderungen, sie können auch Wege zu besserem Handeln aufzeigen.
Anja Utler, geb. 1973 in Schwandorf, lebt in Leipzig. Auszeichnungen (u. a.): Leonce-und-Lena-Preis für Lyrik 2003, Basler Lyrikpreis 2014, Heimrad-Bäcker-Preis 2016, Thomas-Kling-Poetikdozentur 2018, Lyrikpreis der Südpfalz 2020, Ernst-Meister-Preis für Lyrik 2021, Ernst-Jandl-Preis für Lyrik 2023, Peter-Huchel-Preis 2024.
In der Edition Korrespondenzen erschienen bisher: »münden – entzüngeln« (2004), »brinnen« (2006), eine gleichnamige CD, »jana, vermacht« (2009), »ausgeübt. Eine Kurskorrektur« (2011), »Von den Knochen der Sanftheit« (2016), »kommen sehen« (2020) und »Es beginnt. Trauerrefrain« (2023).
aber nicht damit
Hanins Gedichte packen uns immer ganz unmittelbar, denn vom ersten Wort an sind wir schon mittendrin im Geschehen, das sich aber erst allmählich und bruchstückhaft entfaltet. Hanin spricht von »innerer Rede«, und tatsächlich ist es in vielen Fällen so, als säßen wir mitten im Hirn der Figur, die spricht, als käme das Erfassen der Situation erst gerade in Gang. Die Formulierungen sind oft eigenartig schief angeschnitten, wollen nicht ganz passen, kippen oder brechen ganz ab. Dann tendieren sie wieder zu äußerst komischen Fallhöhen, wenn lautlich differenziert gestaltete Verse in dezidiert mündliche, floskelgesättigte Alltagsrede umschlagen oder sich von dort zu klanglich flirrenden Begriffsfügungen aufschwingen.
In den über achtzig unterschiedlichsten Sprechsituationen legt Hanin ein besonderes Augenmerk auf randständige Orte des Lebens: eine Reise mit dem gefälschten Pass, ein Esoterikerkurs, ein Heimwerker-Schwätzer begegnen uns ebenso wie ein Orakel, das leider mit dem falschen Fuß aufgestanden ist. So kommen Figuren zur Sprache, die nicht recht in die Welt passen wollen, grotesk wirken, surreal. Oder passt die surreal gewordene Welt nicht mehr zu ihnen?
Semjon Hanin, geb. 1970 in Riga, ist ein auf Russisch schreibender lettischer Dichter. Er ist Gründungsmitglied von Orbita, einer multimedial agierenden Gruppe russischsprachiger Dichter und Künstler aus Lettland, die national wie international Aufmerksamkeit findet. Mit »aber nicht damit« liegt erstmals ein eigenständiger Gedichtband des Autors auf Deutsch vor.
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